© Alina Grubnyak, Unsplash

Entwurf zum Data Act: Vorhandene Daten besser nutzen

Vernetzte Geräte im Smart Home, das Internet der Dinge in der Industrie, smarter Verkehr – wir alle produzieren tagtäglich eine Vielzahl an Daten. Bisher wird allerdings nur ein geringer Teil der zur Verfügung stehenden Daten genutzt, obwohl sie ein enormes Wachstums- und Innovationspotenzial bieten. Aktuell werden 80 % der Industriedaten nie genutzt. Das soll der Data Act künftig ändern.

Stellen Sie sich vor, Ihr Auto ist kaputt. Aktuell hat nur der Hersteller Zugriff auf die durch Sie erzeugten Daten. Nach dem Data Act könnten Sie diese Daten anfordern und beispielsweise an die Werkstatt Ihres Vertrauens weiterleiten, damit diese Ihr Auto kostengünstig reparieren kann. Damit wären Sie unabhängiger vom Hersteller, können Kosten sparen und Ihr Auto lebt länger.

Noch klingt das nach Zukunftsmusik, der Data Act könnte das aber bald möglich machen. Wir haben für Sie zusammengefasst, welche Zielsetzung der Gesetzesentwurf verfolgt, welche Regelungen geplant sind und wie das Datengesetz aufgefasst wird. 

Zielsetzung des Data Acts

Der Data Act soll die Datenökonomie in der EU effizienter und fairer gestalten und so auch den Datenfluss in allen Sektoren zwischen Unternehmen und Regierungen erleichtern. Dafür soll das Datengesetz regeln, wer auf die in den Wirtschaftssektoren der EU erzeugten nicht-personenbezogenen Daten Zugriff hat und wer sie nutzen darf. 

Ziel ist dabei unter anderem, datengesteuerte Innovationen zu fördern, mehr Fairness, ein wettbewerbsfähiger Datenmarkt und Daten für Alle zugänglicher zu machen. Dafür geht das Gesetz die rechtlichen, wirtschaftlichen und technischen Hindernisse an, die aktuell die Datennutzung verhindern und schafft Anreize für Innovationen. Gleichzeitig sollen europäische Grundsätze wie eine hohe Privatsphäre, Sicherheit und ethische Standards eingehalten werden.

Durch den Zugang zu Daten sollen innovative Dienste den digitalen Wandel verwirklichen und Produkte durch Wartung und Reparatur eine längere Lebenszeit haben – ganz im Sinne des Umweltschutzes. Hersteller, die anschließende Dienste entwickeln, können ihre Dienste durch die nötige Datengrundlage besser auf ihre Kundinnen und Kunden zuschneiden und somit besser mit Herstellern vergleichbarer Dienste konkurrieren

Zudem können durch die Zusammenführung von Daten komplett neue digitale Dienste entstehen. Daten sollen somit über Sektoren hinweg nutzbar gemacht werden. 

Außerdem sollen Verbraucher:innen mehr Mitspracherecht darüber haben, was mit ihren Daten geschehen darf und sie können die von ihnen produzierten Daten selbst nutzen. 

Inhalt des Data Acts

Die wichtigsten geplanten Maßnahmen des Data Acts lassen sich in vier Bereiche untergliedern:

Der erste Bereich ist der Schutz von Verbraucher:innen. Diese sollen künftig mehr Kontrolle über und Zugang zu den Daten haben, die ihre vernetzten Geräte erzeugen. Die Daten werden aktuell in der Regel von Herstellern gesammelt und dazu genutzt, Kundinnen und Kunden an sich zu binden. Künftig sollen Verbraucher:innen diese Daten an Dritte weitergeben können, um weitere Dienste, wie z. B. Wartungen, in Anspruch zu nehmen. Dritte dürfen die Daten allerdings nur zu den Zwecken nutzen, für die sie die Daten erhalten haben. Ziel ist hier die Förderung des Wettbewerbs, um Innovationen anzukurbeln, Preise zu senken und die Lebenszeit von Produkten zu verlängern. Gleichzeitig sollen Garantien verhindern, dass sich die Datennutzung negativ auf die Geschäftsmöglichkeiten des Herstellers auswirken.

Der zweite Bereich ist die Stärkung von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU). Derzeit wird der Datenmarkt weitestgehend von einigen großen Playern kontrolliert. Diese haben gegenüber den KMU eine deutlich größere Verhandlungsmacht und können KMU durch „Take-it-or-leave-it“-Taktiken unter Druck setzen. Deshalb soll durch den Gesetzesentwurf die Verhandlungsmacht ausgeglichen und Ungleichgewichte in Verträgen verhindert werden. Dafür soll ein Fairness-Test und eine Liste missbräuchlicher Vertragsklauseln erstellt werden, die verboten werden und als nicht bindend gelten sollen. Außerdem plant die Kommission, Mustervertragsbedingungen zu entwickeln, die KMU bei der Aushandlung fairer Verträge zur gemeinsamen Datennutzung unterstützen sollen.

Drittens soll auch Behörden der Zugang zu und die Nutzung von Daten des Privatsektors ermöglicht werden. Dies gilt allerdings nur bei öffentlichen Notständen wie Pandemien oder Naturkatastrophen oder zur Wahrnehmung eines rechtlichen Mandats, wenn die Daten nicht über andere Wege verfügbar sind. Ziel ist es, dass Behörden möglichst rasch und sicher reagieren können, ohne Unternehmen zusätzlich zu belasten.

Schließlich soll der Data Act auch Regelungen zu Cloud-Datenverarbeitungsdiensten umfassen. Diese Regelungen sollen den Wechsel von Diensten vereinfachen, z. B. durch eine Kündigungsfrist von maximal 30 Tagen und ein Recht auf Datenübertragung zu einem neuen Anbieter. Damit sollen Lock-In-Effekte verhindert werden. Außerdem sollen unrechtmäßige Datenübermittlungen eingeschränkt und ein Normungsrahmen für Daten- und Cloud-Interoperabilität geschaffen werden. 

Stimmen zum Data Act

Der EU-Kommissar für Binnenmarkt und Dienstleistungen, Thierry Breton, bezeichnet den Gesetzesentwurf als einen „Eckpfeiler einer starken, innovativen und souveränen europäischen Digitalwirtschaft“.

Auch Franziska Brantner, parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz befürwortet den Entwurf der Europäischen Kommission: „Die Pandemie und der Klimawandel zeigen: Wir brauchen bessere Daten und müssen Daten besser nutzen, um die Herausforderungen unserer Zeit zu bewältigen. Der Data Act kann zur Grundlage einer starken europäischen Datenökonomie werden, die Daten sinnvoll teilt und nutzt und so nachhaltigen Wohlstand generiert.“

Marc Fliehe, Bereichsleiter Digitalisierung beim TÜV-Verband, begrüße den Data Act als „wichtige Orientierungshilfe für die Nutzung von Daten im B2B-Bereich. Der TÜV-Verband unterstützt dieses Ziel und begrüßt den horizontalen Ansatz der EU-Kommission.“ Der Verband sieht unter andrem bei KI-Anwendungen ein großes Potenzial. Gleichzeitig kritisiert der Verband eine unzureichende Regelung in Bezug auf den Zugang zu Fahrzeugdaten im Mobilitätssektor. Hier bestehe noch Nachholbedarf.

Kritik kommt auch von Forschern wie Sahin Albayrak von der TU Berlin, der an einer Teststrecke für autonomes Fahren arbeitet. Der Wissenschaftler habe sich klarere Regeln zum Umgang mit Daten gewünscht, um planungssicher autonome Fahrzeuge in der EU entwickeln zu können. Die Folge: Regelungen müssen auf verschiedenen Ebenen gefunden werden. Dieses Nebenher verschiedener Gesetze würde dabei vernetzte Mobilitätsangebote ausbremsen.

Auch Hildegard Müller, Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie kritisiert den Entwurf: "Der Data Act droht, zum Hemmschuh für die Industrie in Europa zu werden und sie in ihrer globalen Wettbewerbsfähigkeit massiv einzuschränken."

Der IT-Verband Bitkom hat Bedenken über die weitreichenden Auswirkungen des Data Acts geäußert. Das Datengesetz müsse so gestaltet werden, dass es „die europäische Datenwirtschaft auf Augenhöhe mit den weltweit führenden Digitalstandorten bringt“. Kritisiert wird zum einen der Eingriff in die Vertragsfreiheit bei gemeinsamer Datennutzung von Unternehmen. Außerdem wird die geplante Einführung von Standards für Cloud-Dienste kritisch gesehen. Hier befürchtet der Verband, dass die Standards Wettbewerb und Innovation in Europa verhindern können. 

Ausblick

In seiner aktuellen Entwurf-Fassung könnte der Data Act die Gestaltung von Vereinbarungen zum Datenaustausch erheblich beeinträchtigen, z. B. in dem die Gestaltungsfreiheit bei Datennutzungsverträgen eingeschränkt wird. Der Gesetzesentwurf gilt unabhängig von Branchen und Wirtschaftsbereichen und hätte somit Einfluss auf quasi jedes Unternehmen, das auf die eine oder andere Weise Daten verarbeitet. Daher sollten sich Unternehmen frühzeitig mit den Anforderungen des Data Act beschäftigen.

Im Rahmen des EU-Gesetzgebungsverfahrens wird der Data Act noch durch das Europäische Parlament und den Rat der Europäischen Union gehen. Es ist möglich, dass sich der Entwurf dadurch noch ändert. Bisher ist kein Zeitrahmen für die Verabschiedung bekannt. Erfahrungsgemäß kann dies bis zu zwei Jahre dauern.

Gleichzeitig lädt die Europäische Kommission Privatpersonen, Unternehmen, Online-Plattformen, Wissenschaftler:innen und alle Interessierten ein, sich zu dem Entwurf zu äußern, um eine faire Datenökonomie und sicheren Datenzugang für Alle zu schaffen. Antworten und Ideen werden bis zum 03. September 2022 angenommen. 

Person sitzt mit einer Zeitung auf einer Bank

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Quellen

Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (2022): „Zitat Parlamentarische Staatssekretärin Brantner“, 23. Februar 2022, https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Pressemitteilungen/2022/02/20220223-zitat-brantner-data-act.html, letzter Zugriff am 02. März 2022.

Europäische Kommission (2022): „Datengesetz: Kommission schlägt Maßnahmen für eine faire und innovative Datenwirtschaft vor“, 23. Februar 2022, https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ip_22_1113, letzter Zugriff am 02. März 2022.

Herwartz, Christoph und Teresa Stiens (2022): „EU schafft Rechtssicherheit für die Datenwirtschaft – Die EU öffnet das Internet der Dinge“, 23. Februar 2022, Handelsblatt https://www.handelsblatt.com/politik/international/data-act-eu-schafft-rechtssicherheit-fuer-die-datenwirtschaft-die-eu-oeffnet-das-internet-der-dinge/28093682.html?ticket=ST-604634-J9QPkYCTgiIsZbUnxfPl-ap6, letzter Zugriff am 02. März 2022.

Krempl, Stefan (2022): „EU-Datengesetz: ‚Großer Wurf‘, aber auch ein Drahtseilakt“, 24. Februar 2022, heise online, https://www.heise.de/news/EU-Datengesetz-Grosser-Wurf-aber-auch-ein-Drahtseilakt-6525939.html, letzter Zugriff am 02. März 2022.

Noerr (2022): „EU-Kommission legt Vorschlaf für Data Act vor – Neuer Rechtsrahmen für die Date Economy“, 23. Februar 2022, https://www.noerr.com/de/newsroom/news/eu-kommission-legt-vorschlag-fur-data-act-vor, letzter Zugriff am 02. März 2022.

Shahd, Maurice (2022): „TÜV-Verband begrüßt EU Data Act“, 23. Februar 2022, TÜV Verband, https://www.tuev-verband.de/pressemitteilungen/tuev-verband-begruesst-eu-data-act, letzter Zugriff am 02. März 2022. 

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