© Guillaume Perigois, Unsplash

Digital Services Act: Grundgesetz für das Internet?

Ein EU-weites Gesetz für den digitalen Raum zur Regulierung von Plattformen? Fehlanzeige. Aktuell sind die Tätigkeiten der großen Plattformen wie Google oder Facebook weitestgehend unreguliert. Oder aber die Vorschriften stammen aus dem vordigitalen Zeitalter. Das Resultat: Monopole, unfaire Praktiken und kaum Transparenz.

All das könnte sich mit dem Digital Services Act in Zukunft ändern. Am 23. April haben sich Unterhändler:innen des Europaparlaments und der EU-Mitgliedsstaaten auf einheitliche Regeln für mehr Sicherheit im Internet geeinigt.

Doch wie sehen diese Regeln aus? Und was bedeutet das für Bürger:innen und Unternehmen? Erfahren Sie das Wichtigste rund um den Digital Services Act. 

Worum geht es bei dem Digital Services Act?

Der Digital Services Act ist Teil eines Digital-Pakts, zu dem auch das im März beschlossene Gesetz über digitale Märkte gehört. Der Digital Markets Act soll die Marktmacht von den großen Playern wie Google und Co. reduzieren.

Das Ziel des Digital Services Act ist recht simpel: Alles, was offline verboten ist, soll künftig auch online verboten sein. Durch strengere Regelungen – vor allem für die ganz großen Player – soll das Internet sicherer werden, der Wettbewerb fair bleiben und Innovation gefördert werden. Auch Grundrechte sollen Bürger:innen besser durchsetzen können, es soll mehr Transparenz sowie einen einheitlichen Rechtsrahmen geben und kleine und mittelständische Unternehmen und Start-ups sollen gefördert werden.

Dafür nimmt der Act Online-Dienste mit verhältnismäßigen Vorschriften und Verantwortlichkeiten in die Pflicht. Die Pflichten variieren dabei je nach Größe, Rolle und Auswirkungen im Online-Umfeld. Für die sehr großen Online-Plattformen, die mehr als 45 Millionen Menschen in Europa erreichen, sollen in Anbetracht ihres großen Einflusses und der damit verbundenen Risiken besondere Vorschriften gelten. 

Was wird mit dem Digital Services Act verabschiedet?

Mit dem Digital Services Act werden vor allem Verpflichtungen für Online-Dienste verabschiedet. Die Pflichten müssen alle Online-Vermittler beachten, wenn sie Dienste in der EU anbieten – unabhängig von ihrem eigenen Sitz.

Damit der Act verhältnismäßig ist, kleinere Unternehmen nicht zu stark belastet und so nicht den Wettbewerb verzerrt, teilt der Gesetzesentwurf die Dienste in vier Gruppen mit unterschiedlich strengen Pflichten auf:  

  • Vermittlungsdienste
  • Hosting-Dienste
  • Online-Plattformen
  • Sehr große Online-Plattformen 

Je größer der Dienst und je umfangreicher die Verarbeitung der personenbezogenen Daten, desto strenger die Verpflichtungen. Vermittlungsdienste müssen dabei die wenigsten Anforderungen erfüllen – sehr große Online-Plattform die meisten.

Für alle Online-Dienst gilt eine Pflicht zur Berichterstattung zu Transparenzzwecken, die Berücksichtigung der Grundrechte in den Nutzungsbedingungen, die Zusammenarbeit mit nationalen Behörden bei Anordnungen und das Einrichten von Kontaktstellen sowie ggf. gesetzlichen Vertretungen.

Online-Plattformen müssen zudem beispielsweise Straftaten melden, Nutzer:innen gegenüber transparent bei Online-Werbung sein, Sicherheitsprüfungen von Dritten durchführen lassen und Beschwerde- und Rechtsbehelfsmechanismen einführen.

Sehr große Online-Plattformen müssen zusätzlich u. a. Risikomanagement-Pflichten einhalten, Compliance-Beauftragte ernennen, externe Risikoprüfungen durchführen und mit ihren Algorithmen transparent umgehen.

Ob diese Pflichten eingehalten werden, sollen primär die Mitgliedsstaaten kontrollieren. Dabei werden sie von einem neuen Europäischen Gremium für digitale Dienste unterstützt. Diese Kommission überwacht sehr große Plattformen erweitert und sorgt für eine Durchsetzung der Pflichten. 

Was bedeutet das für Bürger:innen und Unternehmen?

Wird der Gesetzesentwurf so verabschiedet, bedeutet er für Bürger:innen vor allem einen besseren Schutz ihrer Grundrechte im Internet. So können beispielsweise illegale Waren und Inhalte leichter entfernt werden und die Redefreiheit wird geschützt, indem Nutzer:innen über die Löschung ihrer Inhalte informiert werden und sich dagegen wehren können. Desinformation und Manipulation durch Profiling werden ebenfalls reduziert.

Bürger:innen erhalten zudem mehr Einblicke, wie ihre Daten für Online-Werbung genutzt werden und nach welchen Kriterien die Algorithmen von Plattformen, die ihnen beispielsweise Kaufempfehlungen machen, entscheiden. Außerdem soll ihnen durch die Förderung eines fairen Wettbewerbs eine größere Auswahl an Online-Diensten zu niedrigeren Preisen zur Verfügung stehen. Dafür werden etwa unfaire Praktiken verboten, die Zusammenarbeit (Interoperabilität) von Diensten soll erhöht und der Wechsel von Plattformen vereinfacht werden. 

Auch für die gewerbliche Nutzung digitaler Dienste resultiert der Digital Services Act in einer größeren Auswahl zu niedrigeren Preisen. Zudem sollen interne Verfahren von Online-Diensten transparenter werden, sodass Unternehmen einschätzen können, wer ihre Produkte kauft, welches Verhalten vorliegt und wie die Produkte beworben werden. So können sie fundierte Entscheidungen treffen und ihre Marktstrategie effektiv aufbauen. Unternehmen erhalten zudem Zugang zu EU-weiten Märkten über digitale Plattformen und können verstärkt und gemeinsam mit anderen Anbieter:innen gegen illegale Inhalte vorgehen.

Anbieter:innen digitaler Dienste werden strenger beaufsichtigt, profitieren aber von mehr Rechtssicherheit und einer Harmonisierung der Vorschriften. Durch das EU-weite Gesetz wird die Fragmentierung in einzelne nationale Gesetze mit unterschiedlichen Vorschriften abgelöst. Hinzu kommt, dass die Gründung digitaler Dienste und die Expansion in Europa durch die Schaffung eines fairen Wettbewerbs vereinfacht wird.

Die großen Player bestimmen nicht mehr alleine den Markt und können kleinere Konkurrenz-Unternehmen nicht mehr klein halten oder unfaire Bedingungen diktieren und eigene Produkte bevorzugt anbieten. Gleichzeitig werden die Plattformen sicherer, da weniger illegale Inhalte oder Waren angeboten werden und das erhöhte Risikomanagement die Gefahr eines Missbrauchs der Systeme reduziert.  

Welche Anknüpfungspunkte zum Datenschutz gibt es?

Prinzipiell ist der Digital Services Act unabhängig vom Datenschutz und der DSGVO zu betrachten. Einige Anknüpfungspunkte tauchen dennoch auf – nicht zuletzt, weil einige Maßnahmen an die Grundsätze der DSGVO angelehnt sind. So zum Beispiel der Grundsatz der Transparenz und der Schutz Minderjähriger und besonders sensibler Daten. Wird der Entwurf verabschiedet, dürfen Online-Plattformen keine Werbung gezielt an Minderjährige richten. Auch das Targeting über sensible personenbezogene Daten wie Religion oder Sexualität soll begrenzt werden.

Außerdem wird es klarere Regelungen zu Cookie-Bannern geben. Irreführende Oberflächen sollen weitgehend verboten werden, sodass eine Ablehnung einfacher wird. 

Welche Kritik gibt es am Digital Services Act?

In Deutschland gilt bereits seit Jahren das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG). Dieses dürfte mit den neuen Regelungen hinfällig werden – und das, obwohl der Digital Services Act beispielsweise in Bezug auf Löschfristen hinter dem deutschen Gesetz zurückbleibt.

Ob und wie das Gesetz wirkt, wird wohl erst die Praxis zeigen. So ist beispielsweise noch unklar, wie Unternehmen sicherstellen sollen, dass sie keine Minderjährigen tracken. Auch inwieweit sich Unternehmen auf ihr Geschäftsgeheimnis berufen können oder ab wann Inhalte als illegal gelten, muss geklärt werden. Derartige Unsicherheiten kann das neue Gesetz nicht ausräumen. Die endgültige Entscheidung dürfte spätestens vor den europäischen Gerichten fallen

Fazit

Damit der Digital Services Act in Kraft tritt, müssen die EU-Staaten und das Europaparlament den Gesetzesentwurf noch formell bestätigen. Dann gilt eine Übergangsfrist von 15 Monaten. Außer für die sehr großen Plattformen: Für sie gilt das Gesetz bereits vier Monate nach Inkrafttreten.

Die Bestätigung gilt allerdings als reine Formsache. Das Bundesverkehrsministerium teilte bereits mit, dass die bestehenden nationalen Gesetze umfänglich überarbeitet werden müssen und ein Digitale-Dienste-Gesetz erarbeitet werden soll.

Mit dem Digital Services Act geht die EU einen ersten Schritt in Richtung Grundgesetz für das Internet

Person sitzt mit einer Zeitung auf einer Bank

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Quellen

Europäische Kommission (o. J.): „Ein Europa für das digitale Zeitalter: was sich für Nutzerinnen und Nutzer ändert“, https://ec.europa.eu/info/strategy/priorities-2019-2024/europe-fit-digital-age/digital-services-act-ensuring-safe-and-accountable-online-environment/europe-fit-digital-age-new-online-rules-users_de, letzter Zugriff am 03. Mai 2022.

Europäische Kommission (o. J.): „Ein Europa für das digitale Zeitalter – was sich für Plattformen ändert“, https://ec.europa.eu/info/strategy/priorities-2019-2024/europe-fit-digital-age/digital-services-act-ensuring-safe-and-accountable-online-environment/europe-fit-digital-age-new-online-rules-platforms_de, letzter Zugriff am 03. Mai 2022.

Europäische Kommission (o. J.): „Gesetz über digitale Dienste: mehr Sicherheit und Verantwortung im Online-Umfeld“, https://ec.europa.eu/info/strategy/priorities-2019-2024/europe-fit-digital-age/digital-services-act-ensuring-safe-and-accountable-online-environment_de, letzter Zugriff am 03. Mai 2022.

Lindern, Jakob von (2022): „Digital Services Act: So will die EU das Internet reparieren“, 23. April 2022, Zeit Online, https://www.zeit.de/digital/internet/2022-04/digital-services-act-eu-digitalgesetz-faq?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.ecosia.org%2F, letzter Zugriff am 03. Mai 2022.

ZDF (2022), „Digital Services Act: Neues EU-Gesetz gegen Hass und Gewalt im Netz“, 23. April 2022, https://www.zdf.de/nachrichten/digitales/eu-digital-services-act-100.html, letzter Zugriff am 03. Mai 2022. 

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