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Aktuelles Urteil: Amazon darf in Winsen weiterhin Daten zu Beschäftigten erheben

Zuletzt aktualisiert am 13. März 2023

Amazon zählt zu den wertvollsten Unternehmen der Welt. Allerdings steht es auch regelmäßig in der Kritik – nicht zuletzt aufgrund schlechter Arbeitsbedingungen. Hier fällt vor allem das Stichwort Überwachung regelmäßig.

So auch bei dem Fall eines Logistikzentrums in Winsen. Mitarbeitende wurden bei bestimmten Arbeitsschritten überwacht. Dies geschah, indem die genutzten Handscanner nicht nur die entsprechenden Waren, sondern auch Leistungsdaten der Beschäftigten erfassten. Laut der Datenschutzaufsichtsbehörde Niedersachen stellt das eine rechtswidrige Datenerhebung dar und hat diese unterbunden. Amazon hat daraufhin Klage eingereicht und Recht bekommen.

Wir haben die Hintergründe und das Urteil sowie die Kritik daran für Sie zusammengefasst. 

Hintergrund zum Urteil

Am 9. Februar 2023 entschied das Verwaltungsgericht Hannover in einem langwierigen Rechtsstreit zwischen dem Versandhändler Amazon und der Datenschutzaufsichtsbehörde Niedersachsens. Gegenstand des Verfahrens war die Frage, ob die von Amazon im Logistikzentrum in Winsen erhobenen Daten der Beschäftigten rechtmäßig sind. Die Behörde hatte im Oktober 2020 die Datenerhebung untersagt. Daraufhin reichte Amazon Klage ein.

Konkret ging es um Handscanner, die Amazon in bestimmten Arbeitsbereichen des Logistikzentrums einsetzt. Beschäftigte nutzen die Handscanner, um Arbeitsschritte innerhalb der jeweiligen Prozesspfade von Warenein- bis Warenausgang zu erfassen. Die Daten werden mit einer Softwareanwendung ausgewertet und dienen in erster Linie der Steuerung logistischer Prozesse. Daneben werden die Daten auch für Bewertungsgrundlagen von Qualifizierungsmaßnahmen, Feedback und Personalentscheidungen verwendet. Dabei werden allerdings auch detaillierte Profile der Beschäftigten erstellt, anhand derer die jeweils individuelle Leistung erkennbar ist.

Aus diesem Grund hatte Barbara Thiel, die Landebeauftragte für den Datenschutz (LfD) Niedersachen, im Oktober 2022 eine Untersagungsverfügung ausgesprochen. Laut Thiel überwiege „das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter […] unternehmerische Interessen“. Durch die minutengenaue Leistungsdatenerhebung entstehe ein Leistungsdruck, der höher zu gewichten sei als wirtschaftliche Interessen. Nun hat Amazon gegen die Unterlassungsverfügung geklagt und Recht bekommen. 

Das Urteil

Die 10. Kammer des Verwaltungsgerichts Hannover hat der Klage von Amazon stattgegeben und die Untersagung der Datenerhebung und -verarbeitung durch die Datenschutzaufsichtsbehörde aufgehoben. Das Gericht argumentierte, dass es in Deutschland (noch) kein Gesetz zur Regelung des Beschäftigtendatenschutzes gibt und sich der Datenschutz daher nach § 26 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) richtet. Dieses erlaubt die Verarbeitung personenbezogener Daten von Beschäftigten, wenn dies für die Anbahnung, Durchführung oder Beendigung des Beschäftigtenverhältnisses erforderlich ist. 

Amazon konnte darlegen, dass die Datenerhebung und -verarbeitung im Logistikzentrum für drei Zwecke erforderlich ist: die Steuerung der Logistikprozesse, die Steuerung der Qualifizierung und die Schaffung von Bewertungsgrundlagen für individuelles Feedback und Personalentscheidungen.

Die Daten ermöglichen Amazon, Schwankungen in einzelnen Prozesspfaden durch Verschiebungen von Beschäftigten ad hoc zu reagieren und so den reibungslosen Ablauf aller Prozesse innerhalb des Fulfillment Centers, das auf die Auslieferung der Ware zu einem genau definierten Zeitpunkt ausgerichtet ist, zu garantieren. Auch kann Amazon individualisierte Qualifizierungsbedarfe der Beschäftigten schnell detektieren und auf diese reagieren. Schließlich verschafften die erhobenen Daten eine breite und objektive Grundlage für Feedback und Personal- und Beförderungsentscheidungen.

Das Gericht sah in der ununterbrochenen Erhebung von Leistungsdaten der Beschäftigten, bei der aktuell vorliegenden Rechtslage, keinen Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen. Gleichzeitig bestätigte es, dass die Datenerhebung für die Erfüllung der von Amazon genannten Zwecke erforderlich ist.  

Kritik am Urteil

Das Urteil hat bei Datenschützer:innen und Gewerkschaften für Kritik gesorgt. Sie sehen in der Erhebung von Leistungsdaten eine Überwachung der Beschäftigten und einen Eingriff in ihre Persönlichkeitsrechte. Die Verwendung der Daten für Personalentscheidungen und Bewertungen könne zu unfairen Arbeitsbedingungen führen.

Zudem befürchten die Kritiker:innen, dass die Entscheidung Auswirkungen auf den Datenschutz von Beschäftigten in anderen Unternehmen haben könnte. Die Arbeitsbedingungen in Amazon-Logistikzentren sind schon seit längerem umstritten, und Kritiker:innen werfen dem Unternehmen vor, seine Beschäftigten unter hohen Druck zu setzen. Die Datenerhebung und -verarbeitung könnte die Arbeitsbedingungen weiter verschärfen, da die Beschäftigten noch stärker kontrolliert werden. 

Fazit

Das Urteil im Fall von Amazon zeigt, dass der Beschäftigtendatenschutz in Deutschland noch nicht ausreichend gesetzlich geregelt ist. Das kritisierte auch die Richterin des Verwaltungsgerichts Hannover. Solange es kein spezielles Gesetz zum Beschäftigtendatenschutz gibt, müssen sich Unternehmen wie Amazon auf das BDSG berufen.

Es bleibt abzuwarten, ob und wann es in Deutschland ein solches Gesetz geben wird – die Datenschutzkonferenz hat zuletzt im April 2022 ein derartiges Gesetz gefordert. In der Zwischenzeit sollten Unternehmen den Beschäftigtendatenschutz ernst nehmen und die Praxis der Datenerhebung und -verarbeitung sorgfältig prüfen.  

Person sitzt mit einer Zeitung auf einer Bank

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Quellen

Landesbeauftragte für den Datenschutz Niedersachsen (2023): „Thiel: ‚Das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter überwiegt unternehmerische Interessen‘“, 10. Februar 2023, https://lfd.niedersachsen.de/startseite/infothek/presseinformationen/thiel-das-allgemeine-personlichkeitsrecht-der-mitarbeiterinnen-und-mitarbeiter-uberwiegt-unternehmerische-interessen-219596.html, letzter Zugriff am 20. Februar 2023.

Verwaltungsgericht Hannover (2023): „Datenerhebung bei Amazon in Winsen ist rechtmäßig“, 09. Februar 2023, https://www.verwaltungsgericht-hannover.niedersachsen.de/aktuelles/pressemitteilungen/datenerhebung-bei-amazon-in-winsen-ist-rechtmassig-219664.html, letzter Zugriff am 20. Februar 2023. 

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